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ALLERGIEN UND UNVERTRÄGLICHKEITEN – WIE SIE DAS RISIKO BEGRENZEN UND IHRE KUNDEN BESSER BEDIENEN KÖNNEN

Zwei bis acht Prozent der Bevölkerung der Schweiz leiden an Lebensmittelallergien und fast zwanzig Prozent sind von Unverträglichkeiten betroffen. In der Gastronomie ist der richtige Umgang mit diesen Problemen deshalb sowohl eine gesetzliche Anforderung, als auch eine Herausforderung für die Qualität der Dienstleistungen. Von entscheidender Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Allergien (Immunreaktion, die manchmal tödlich sein kann) und Intoleranzen (Verdauungsstörungen, bei denen es zu keiner Immunreaktion kommt). Allerdings sind in beiden Fällen Anpassungen in der Küche und im Speisesaal erforderlich, auch wenn nur die Allergie direkt gesetzlich geregelt ist.
DIE PFLICHTEN: DER GESETZLICHE RAHMEN
Der gesetzliche Rahmen stützt sich hauptsächlich auf die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) und die Verordnung betreffend die Information über Lebensmittel (LIV), beide vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Diese Texte schreiben vor, dass Gastronomen auf Anfrage in der Lage sein müssen, das Vorhandensein der vierzehn Hauptallergene in ihren Zubereitungen anzugeben. Der Hinweis kann schriftlich (Speisekarte, Tabelle, Datenblatt) oder mündlich erfolgen, vorausgesetzt, das Personal ist geschult und kann zuverlässige Informationen geben.
Die Nichteinhaltung dieser Pflichten kann im Schadensfall verwaltungsrechtliche oder sogar strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Ein Beispiel ist, wenn ein Gast aufgrund eines nicht gekennzeichneten Allergens eine schwere Reaktion erleidet, ins Spital eingeliefert werden muss oder sogar stirbt. Dies bedeutet auch eine starke Haftung des Betriebs im Falle einer allergischen Reaktion eines schlecht informierten Kunden. Beachten Sie, dass auch Lebensmittel, die offen verkauft oder vor Ort verarbeitet werden (selbstgebackenes Brot, Saucen) von dieser Pflicht betroffen sind.
Für bestimmte Produkte wie Fleisch, Fisch oder hausgemachte Zubereitungen gelten zusätzliche Vorschriften von GastroSuisse und den kantonalen Behörden bezüglich der Angabe von Herkunft und Zusammensetzung. Gastronomen sollten Kontrollen einkalkulieren und eine aktuelle Dokumentation führen, um Risiken zu vermeiden.
DIESE VIERZEHN ALLERGENE SOLLTEN SIE KENNEN
Gemäss den europäischen Vorschriften, die auch in der Schweiz gelten, müssen die folgenden vierzehn Allergene deklariert werden: Gluten, Schalentiere, Eier, Fisch, Erdnüsse, Soja, Milch, Nüsse, Sellerie, Senf, Sesam, Sulfite, Lupinen und Weichtiere. Dies sind die Stoffe, die am häufigsten schwere Reaktionen auslösen. Diese Stoffe müssen selbst in geringsten Mengen deklariert werden.
Diese Problematik verschärft sich bei halbindustriellen Produkten oder komplexen Zubereitungen. Lieferanten sollten systematisch befragt und ihre Datenblätter aufbewahrt werden. Ein verarbeitetes Gericht kann versteckte Allergene enthalten. Beispiele sind Industriesaucen mit Senf oder Desserts mit Mandelpulver.
Seit kurzem müssen auch zum Verzehr zugelassene Insekten (Grillenpulver, Tenebrio-Larven oder Wanderheuschrecken) berücksichtigt werden. Ihre Verwendung muss zwingend deklariert werden, ihr allergenes Risiko wird als ähnlich wie bei Schalentieren eingestuft.
Ein Tipp: Hängen Sie eine übersichtliche Darstellung der verwendeten Zutaten in der Küche auf und schulen Sie Ihr Team in deren Analyse, um nichts dem Zufall zu überlassen.

DIE VORBEREITUNG STRUKTURIEREN, UM RISIKEN ZU VERRINGERN: ORGANISATION IN DER KÜCHE UND IM SPEISESAAL
Ein gutes Allergiemanagement beginnt mit der Dokumentation der Rezepte. Idealerweise hat jedes Gericht ein Formular mit einer Zutatenliste, die auch die enthaltenen Allergene aufführt. Dieses Blatt muss für alle Teammitglieder zugänglich sein und es muss aktualisiert werden, sobald sich eine Zutat ändert. Alle Teammitglieder müssen es kennen.
In der Küche ist die Kreuzkontamination das Hauptrisiko. Es reicht nicht aus, ein Allergen nicht in das Rezept aufzunehmen. Es müssen auch Spuren über kontaminierte Oberflächen, Utensilien, Öle oder Handschuhe vermieden werden. Dies setzt eine strenge Organisation voraus: getrennte Bereiche, gekennzeichnetes Material und eine strenge Reinigung zwischen jeder Zubereitung.
Das Personal im Speisesaal muss geschult werden, Fragen souverän zu beantworten. Es darf nie improvisiert oder eine Situation verharmlost werden. Im Zweifelsfall ist es besser, das Servieren eines Gerichts zu verweigern, als einen lebensbedrohlichen Notfall zu riskieren.
Das Aufhängen der internen Verfahren (in den Umkleideräumen, in der Spülküche und in der Küche) sorgt schliesslich dafür, dass diese sichtbar sind und regelmässig angewendet werden. Eine gute Routine schützt sowohl die Gäste als auch das Team.
KUNDENKOMMUNIKATION: ERKLÄREN, OHNE KOMPLIZIERT ZU WERDEN
Kunden über Allergene zu informieren ist mehr als nur eine gesetzliche Verpflichtung. Es geht um Vertrauen, Erfahrung und das Beherrschen der Dienstleistung. In einem Umfeld mit kurzen Entscheidungszeiten müssen die Instrumente sichtbar, explizit und kohärent sein. Allergeninformationen auf der Speisekarte aufzuführen und am Eingang deutlich anzuzeigen ist unerlässlich, aber nicht ausreichend. Eine intelligente Beschreibung mit Symbolen, QR-Codes zu einem Online-Datenblatt und kommentierten Speisekarten hilft, Unklarheiten zu vermeiden.
Die Kommunikation hängt auch von der Einstellung des Personals ab. Ein guter Reflex ist es, Kunden anzusprechen und ihnen systematisch die richtigen Fragen zu stellen. Allergie oder Unverträglichkeit? Auf welche Substanz? Welcher Schweregrad? Wenn das Team in regelmässigen Briefings darauf trainiert wird, diese Fragen reflexartig zu stellen, entsteht eine Dynamik, die die Kunden beruhigt und Ihre Einrichtung schützt.
Nehmen wir als Beispiel einen Kunden mit Glutenunverträglichkeit (Zöliakie), der zur gleichen Zeit wie ein Kunde mit Erdnussallergie bestellt. Das Team bietet ein Risotto an, das in einem speziellen Topf zubereitet wird und bei dem die Garnitur verändert wird (zum Beispiel Sonnenblumenkerne statt Nüsse). Das Personal erklärt dem Kunden den Prozess. Das Ergebnis ist ein reibungsloser Service, ein beruhigter Kunde und eine gute Erfahrung.
Auch Sprachkenntnisse sind eine grosse Hilfe. In städtischen oder touristischen Gebieten sollten Informationen nicht nur auf Englisch, sondern mindestens auch auf Französisch, Deutsch oder Italienisch verfügbar sein. Dies gilt sowohl für Speisekarten als auch für interne Dokumente, die in der Küche aufgehängt sind : Allergenkarten oder Substitutionstabellen. Was Online-Plattformen oder Click & Collect betrifft, müssen diese vor der Bestätigung der Bestellung einen Allergenfilter aufschalten.

WISSEN, WIE MAN REAGIERT, WENN JEDE SEKUNDE ZÄHLT
Selbst in einer straffen Organisation gibt es das Nullrisiko nicht. Trotz aller Vorsichtsmassnahmen kann ein Kunde eine Reaktion zeigen. Es geht also nicht nur darum, etwas zu vermeiden, sondern auch darum, im Ernstfall richtig zu handeln. Ein Notfallprotokoll sollte in der Küche, am Empfang und in den Durchgangsbereichen aufgehängt werden. Es beschreibt den Notfallablauf Schritt für Schritt: Sofortiger Stopp der Nahrungsaufnahme, Alarmierung der Bezugsperson, Anruf bei 144, Erstbehandlung durchführen, sofern möglich, Sicherheit der betroffenen Person sicherstellen, Dokumentation des Vorfalls.
Dieses Protokoll ist mehr als nur ein Dokument. Es muss in interne Schulungen integriert, regelmässig simuliert und von allen Mitarbeitern, nicht nur von den Managern, angewendet werden können. Ein gut vorbereitetes Restaurant verfügt über einen leicht zugänglichen Notfallkoffer, der mindestens die folgenden Dinge enthält: Adrenalin-Pens, flüssige Antihistaminika, Handschuhe, Rasiermesser (für Injektionen) und Stoppuhr. Diese Dinge sollten monatlich überprüft und das Verfallsdatum notiert werden.
Ein Vorfall endet nicht, wenn die Rettungskräfte mit dem Patienten wegfahren. Ein HACCP-Bericht (Hazard Analysis and Critical Control Points, auf Deutsch Gefahrenanalyse und kritische Kontroll-, Steuerungs- oder Lenkungspunkte) muss ausgefüllt werden, die Teams führen innerhalb von 24 Stunden eine Nachbesprechung durch und die betroffenen Rezepte oder Karteikarten werden korrigiert. Dies ist auch ein guter Zeitpunkt, um die Schadensdeckung durch die Haftpflichtversicherung zu überprüfen. Einige Versicherungen decken den Fall eines biphasischen Schocks nicht ab. Dabei treten die Symptome mehrere Stunden nach dem ersten Anfall erneut auf.
ALLERGIEN, INTOLERANZEN UND WEITERE WICHTIGE INFORMATIONEN
Intoleranzen stellen zwar keine unmittelbare Lebensgefahr dar, aber sie bleiben eine Herausforderung für die Qualität und den Kundenkomfort. Es reicht nicht aus, «laktose- oder glutenfrei» anzubieten, man muss es auch ernsthaft umsetzen. Das erfordert geeignete Zutaten, eine spezielle Organisation und gebrauchsfertige Alternativen.
Bei Laktoseintoleranz sind haltbare Produkte praktisch, zum Beispiel Barista-Haferdrink, hitzestabile Sojasahne oder laktosefreier Käse. Der Betrieb sollte über einen ausreichenden Vorrat verfügen, um ein Wochenende abzudecken. Die Anforderungen sind bei gluten- und zöliakiekranken Gästen höher. Sie benötigen ein separat gelagertes Zubereitungsset, bestehend aus Rüstbrett, Messer, Wanne und Zange und einer spezielle Fritteuse. Zudem muss eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sichergestellt sein. Bereits eine unsichtbare Kreuzkontamination kann ausreichen, um ein Gericht für laktoseintolerante Personen gefährlich zu machen.
Das Vorgehen bei einer Histaminproblematik erfolgt über die Auswahl der Produkte und das Beherrschen der Zeiten: Nur kurz verwendete Marinaden, schnelle Kühlung, alternative Saucen (Tamari, Reisessig). Das Restaurant sollte für jede Situation einfache Ersatzprodukte anbieten können: Butter kann beispielsweise durch neutrales Rapsöl ersetzt werden, Béchamelsauce durch Blumenkohlcremesuppe und klassisches Paniermehl durch Maisbrösel.
Ein gutes Hilfsmittel ist eine Referenztabelle, die in der Küche aufgehängt wird. Sie listet die wichtigsten Unverträglichkeiten und die verfügbaren Alternativen auf und zeigt auch, welche Alternativen sich in weniger als fünf Minuten zubereiten lassen. Die Konsultation dieser Tabelle wird für das gesamte Team zur Gewohnheit.

DAS ENGAGEMENT SICHTBAR MACHEN: ZERTIFIZIERUNG UND LABEL
Das Label «Service Allergie Suisse» ist mehr als nur eine Dekoration. Es steht für ein überprüfbares Engagement, das von Gesundheitsfachleuten, Verbrauchern und Plattformen anerkannt wird. Es ermöglicht Betrieben, ihre Zuverlässigkeit im Allergenmanagement klar zu kommunizieren.
Der Prozess beginnt mit einer Selbstdiagnose. Mithilfe einer Checkliste mit 40 Punkten werden Schwachstellen wie fehlende Rückverfolgbarkeit, Lücken in der Ausbildung oder ein Mangel an speziell vorbereitetem Material ermittelt. Liegt die Punktzahl über 85 Prozent, kann der Betrieb das offizielle Audit beantragen. Dieses dauert einen Tag, kostet 800 bis 1200 Franken und beinhaltet echte Tests wie Mystery-Shopping, die Überprüfung der Rückverfolgbarkeitskette und Interviews mit dem Personal.
Nach Erhalt des Siegels ist dieses zwei Jahre lang gültig. Zwischendurch können jedoch unangekündigte Kontrollen stattfinden. Die Schulungsunterlagen müssen laufend auf dem neuesten Stand gehalten werden und jeder neue Mitarbeiter muss innerhalb von fünfzehn Tagen nach seinem Eintrit ein 20-minütiges Online-Modul absolvieren. Die angestrebten Auswirkungen auf geschäftlicher Ebene sind eine Steigerung der Kundenzahlen und eine Differenzierung in einem wettbewerbsintensiven Markt.
Betriebe, die das Gütesiegel tragen, sollten dies öffentlich zeigen: Durch ein Schild am Eingang, das Logo auf Bestellplattformen, die E-Mail-Signatur und die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken. Es handelt sich um eine wertvolle Investition.
NACHBEREITUNG UND UPDATES: LANGFRISTIGE STEUERUNG OHNE DEN ÜBERBLICK ZU VERLIEREN
Ein gutes Allergenmanagement ist nie in Stein gemeisselt. Produkte entwickeln sich weiter, Rezepte ändern sich und Lieferanten passen ihre Formulierungen an. Daher ist eine kontinuierliche Überwachung unerlässlich.
Der PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act oder Planen – Entwickeln – Kontrollieren – Anpassen), auch «Demingkreis» genannt, ist ein Modell zur Prozesssteuerung. Bei jeder Änderung der Speisekarte validiert der Küchenchef die Rezepte, und die Ansprechperson für Allergene (in der Regel der Küchenchef, dessen Stellvertreter oder der Qualitätsmanager) überprüft die entsprechenden Formulare. Anschliessend werden die Aktualisierungen über alle Medien geteilt. Zwischen dem Eintreffen eines neuen Produkts und der Aktualisierung der Allergenkarte dürfen maximal 48 Stunden vergehen.
In diesem System spielt die Ansprechperson für Allergene eine zentrale Rolle. Es handelt sich um ein klar identifiziertes Teammitglied, das für die Zuverlässigkeit der Allergeninformationen sorgt. Diese Verantwortung muss allen bekannt sein. Je nach Organisation der Einrichtung wird diese Rolle häufig vom Chef, dem Stellvertreter, einem Qualitätsmanager oder einem vertrauenswürdigen Mitarbeiter mit einer speziellen Ausbildung übernommen. Zu seinen konkreten Aufgaben gehören die Überprüfung der technischen Datenblätter bei jeder Produkt- oder Rezeptänderung, die Nachverfolgung der internen Schulungen, die Kontrolle der Kohärenz der in der Küche und im Speisesaal aufgehängten Unterlagen sowie die Weiterleitung von Warnungen bei Änderungen der Vorschriften oder Produktrückrufen. Im Falle eines Zwischenfalls oder einer Kontrolle stellt diese Person die Kontinuität der Informationen sicher und vertritt die eingeführte Arbeitsweise. In den von Service Allergie Suisse zertifizierten Betrieben ist die Ernennung eines Ansprechperson für Allergene übrigens eine Anforderung des Pflichtenhefts.
Einige Tools erleichtern diese Verfolgung. So verfügen viele Systeme zur Auftragsannahme inzwischen über Allergenmodule, die die Daten automatisch auf Servicetablets oder QR-Code-Menüs auf der Kundenseite pushen. Ebenfalls hilfreich ist die Steuerung über Indikatoren (Key Performance Indicators, auf Deutsch Leistungsindikatoren): Ziel sind null Vorfälle, 100 Prozent des Personals werden innerhalb von zwei Wochen nach der Einstellung geschult und es finden vierteljährliche interne Audits statt.
Parallel dazu muss die Einhaltung der Vorschriften überwacht werden. Dazu gehört beispielsweise das Abonnement des Newsletters des Bundesamts für Gesundheit (BAG) oder des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), die Verfolgung der Nachrichten von GastroSuisse oder aha! (Allergiezentrum Schweiz, eine auf Allergien und Intoleranzen spezialisierte Stiftung) sowie die monatliche Verteilung einer Zusammenfassung an das Team helfen dabei, auf dem neuesten Stand zu bleiben, ohne von Informationen überflutet zu werden.
